Story: Acid House ist Indisch
Denkt man an die Anfänge von Acid House, landet man gedanklich
Mitte der 80er Jahre in Chicago und lange Zeit galt der bereits 1985
produzierte aber erst 1987 veröffentlichte Track „Acid Trax“ von
DJ Pierre und Earl "Spanky" Smith alias Phuture als
der erste Acid House Track. Doch die Geschichte schreibt sich etwas anders und der eigentliche
Ursprung dieser Musik liegt viel weiter zurück als die meisten
denken. Sicher ist, die Entstehung von Acid House hängt unbestreitbar mit
dem Ende 1981 entwickelten Synthesizer Roland TB-303 und seinen
Nachfolgern 808, 909 zusammen. Auch seinen Namen erhielt die Musik
mit Bestimmtheit um das Jahr 1985 in den USA und bestimmt kann der
Assoziation nachgehen, dass die zur damaligen Zeit in der Szene sehr
beliebte Droge LSD verantwortlich ist für diesen. Doch der erste Acid House entstand bereits 1982 in Indien und
macht den heute siebzigjährigen indischen Bollywood-Komponisten und Musiker Charanjit Singh zum
Entdecker von Acid House.
Charanjit Singh gehört zweifelsfrei zu den untypischen Personen
der Hindi Film Industrie der sechziger und siebziger Jahre.
Als junger Studiomusiker interpretiert der Bassist Charanjit die
ganz großen indischen Komponisten wie Burman, Laxmikant, oder den
neuen Hindi-Disco-King Bappi Lahiri, und spielt parallel dazu mit
seiner Frau Suprana auf Hochzeiten. Er ist Verfasser der Musik von
zahlreichen Bollywood Filmen.
Charanjit Singhs Familie besitzt das größte Musikgeschäft in
Bombay, somit kann er bereits Anfang der Achtziger seine ersten
Akkorde auf brandneuen Synthies spielen.
1982 machte er etwas
völlig neues, inspiriert von der aus dem Westen kommender Disco
Welle, kombinierte er diese zusammen klassischen indischer Raga
Musik. Fast über Nacht, genauer gesagt in nur 2 Tagen, entstand dank
Jupiter 6 Keyboard und Roland RB 303 & 909 das Album
"Synthesizing: Ten Ragas To A Disco Beat". Welches noch im
selben Jahr durch EMI India in der Auflage von ein paar tausend Vinyl
veröffentlicht wurde. Zwar viel beachtet durch damalige Kritiker und
auch Spielzeiten im Radio, war die LP dennoch ein kommerzieller Flop
damals, zu sehr war Charanjit Singh seiner Zeit damals voraus.
So sehr, dass Ten Ragas To A Disco heute eigentlich schon
vergessen wäre, wäre da nicht der Holländische Autor, DJ und
Betreiber von Bombay Connection Records, Edu Bouman. Als einer der
wichtigsten Sammler für Bollywood Musik macht dieser 2002 auf einer
seiner Reisen nach Dehli eine spektakuläre Entdeckung, die ihm beim
Hören sprichwörtlich umwirft. "Back at my hotel I played it
on my portable player, and I was blown away. It sounded like acid
house, or like an ultra-minimal Kraftwerk." Doch was ihn umwirft
ist nicht nur der Sound des Albums, vielmehr ist es das was auf dem
Cover zu lesen ist, veröffentlicht 1982, fünf Jahre früher als
„Acid Trax“. Schnell wird ihm klar er hält, er hält die wohl
älteste Veröffentlichung von Acid House in der Hand.
Welche er 2010 als Remaster über das eigene Label Bombay
Connection Records veröffentlicht und somit Charanjit Singh zu
seinem verdienten späten Ruhm verhilft. Ob der sonst eher zurück
gezogen lebende, heute siebzigjährige, der sein Geld sonst eher mit
seiner Band „Charanjit Singh Orchestra“ verdient, indem er
zusammen mit seiner Frau auf Hochzeiten oder anderen Festivitäten
auftritt, bis heute realisiert hat ist fraglich. Was den sonst eher
klassische Indische Musik produzierenden Mann letztendlich dazu
veranlasst haben muss, um in nur 2 Tagen dieses zeitlose Album zu
produzieren kann wahrscheinlich nur er beantworten.
In wie weit Singhs Track wirklich diese wichtige Strömung der
Clubmusik in den USA beeinflusste, bleibt spekulativ.
Quelle: the guardian